Vor kurzem habe ich einen Brief an meine dreijährige Tochter geschrieben. Zusammengefasst ist es eine einzige Klage meines schlechten Gewissens. Es jammert und windet sich, dafür dass es in meinem Leben zu viele Flüge und zu viel Plastik gab. Dass zu viel konsumiert und ignoriert wurde. Dass es zu wenig Aktivismus und Veganismus gab, obwohl unsere Umwelt mir schon immer am Herzen lag.
Die Nachrichten von heute sind erschreckend. Unserer Umwelt geht es schlecht. Der Regenwald in Brasilien brennt, Sibirische Taiga auch, hinzu massive Waldbrände in Indonesien, Frankreich und auf Gran Canaria. In Deutschland herrscht Dürre – im Harz frisst sich der Borkenkäfer durch die Bäume, ein Viertel des Waldbestandes ist bereits tot. Ein Desaster.
Ab jetzt will ich alles besser machen, spricht mein Gewissen. Im Alltag und auf Reisen. Bald steht unser Familientreffen in Montenegro an und ich werde versuchen alles dafür zu tun um unseren bevorstehenden Familientrip nachhaltiger zu gestalten.

Hipster, Öko, nennt es wie ihr wollt : Trinkflaschen, Metallbecher, Netztasche, Seife zum Nachfüllen sind unsere neuen Reisebegleiter
Schritt 1) Du darfst nicht fliegen. Fliegen verursacht CO2 was sich auf die Atmosphäre und die Erderwärmung auswirkt. Wie kommen wir also nach Montenegro? Mit einem Campervan. Ich bin kein Freund einer langen Autofahrt und stelle mich auf ein quengelndes Kind und viel Stau ein.
Schritt 2) Trinkmanagement. In vielen Reiseländern ist das Leitungswasser nicht unbedingt von bester Qualität. Man wird also nicht drum rumkommen auf dem Weg Trinkwasser kaufen zu müssen. Und wenn dies geschieht, wollen wir es in großen Gallonen holen, die wir dann in unsere eigenen Trinkflaschen umfüllen können. So spart man wenigstens etwas Plastik.

Bei diesem Bild bin werde ich neidisch auf uns selbst
Schritt 3) Wohnen. Ein Familientreffen bedeutet Freude. Ein Familientreffen bedeutet aber auch Streit, Tränen und Kompromisse, weil Tante Silja nicht in einer silmplen Unterkunft als Selbstversorger leben möchte. Zum Schluss hat man sich auf ein hübsches, dennoch einfaches Gästehaus geeinigt, das ich über Airbnb buche. Das Haus hat einen Selbstversorgergarten und eine eigene kleine Imkerei.
Schritt 4) Alle Kleinigkeiten müssen durchdacht werden. Ich packe unzählige Jutebeutel, Netztaschen und Tuppawaren zum Einkaufen ein. Die Balkanländer sind berühmt für ihre Märkte, wo man frische, lokale Produkte kaufen kann. Und darauf freue ich mich am meisten.

Unsere Unterkunft auf Airbnb. Jili und Oma beim Maiskölbchenschälen
Schritt 5) Pflegeprodukte. Zahnbürste aus Holz, festes Shampoo und Seife (ohne Plastikflasche), eine Rasierhobel mit einer Metallklinke – das sind unsere neuen Reisebegleiter.

Nachhaltigkeitstip von unserer Airbnb Gastgeberin: Wäsche mit Soda waschen. Gut für die Umwelt und das Portemonnaie. Wie man sieht, alles ist blitzweiß.
Wir starten unseren Trip in Berlin am späten Samstagabend und kommen durch die Nacht und folgenden Tag erstaunlich gut durch. In der Nähe von Dubrovnik übernachten wir in einem Olivenhain. Auf dem Weg von Kroatien nach Montenegro, nicht mal eine Stunde nach dem Grenzübergang entfernt, fängt das Paradies an. Es gibt Wassermelonen und Maiskölbchen, die man am Straßenrand kaufen kann. Es gibt kleine, wilde Erdbeeren aus dem Wald und Tomaten, die nach Tomaten riechen und schmecken.
Dank Schritt 4 haben wir bisher keine einzige Plastiktüte benutzt. Das gute Gewissen jubelt.
Doch beim Besuch eines Supermarkts wird klar, dass Montenegro reine Plastiknation ist. Sehr viele Produkte sind in Plastik eingeschweißt. Um Gemüse zu kaufen, muss man es zum Abwiegen in einen Plastikbeutel legen. An der Kasse gibt es für alle Einkäufe eine große Plastiktüte zum Tragen. In Berlin haben sich alle Supermärkte schon längst umgestellt.
Auch auf dem Markt will man uns immer alles in Plastiktüten einpacken und man wundert sich, wenn wir unsere eigenen Netztaschen rauskramen.

Jili vor Sveti Stefan Insel in Montenegro
Unsere Highlights in Montenegro:
Die Küstenregion in Montenegro ist sehr touristisch. Doch es gibt immer noch Perlen, die das Reisen einzigartig machen. So eine Perle ist Milenas Hof in der Nähe von Lucíce. Milena hütet Ziegen und macht eigenen Ziegenkäse daraus. Sie hat ihre winzige Manufaktur und kennt alle ihre 15 Ziegen beim Namen.

Mimi, Jili und die Ziegen
Außerdem leben auf ihrem Hof 18 Hunde und unzählige Katzen. Das Areal ist riesig und sieht wie eine Gesiterstadt aus, weil ein Erdbeben in den 70er Jahren zwei große Häuser unbewohnbar machte. Ein Haus wurde renoviert, dort lebt Milena.
Sie ist 85 Jahre alt, möchte aber nur geduzt und Mimi genannt werden. Jeden Morgen steht Mimi um 4 Uhr auf um die Ziegen aus dem Stall zu lassen. Die Ziegen spazieren zum Grasen in die Berge und kommen am Abend wieder. Doch Mimis Tag beginnt jetzt, um 4. Es gibt viel zu tun. Alles auf Mimis Hof ist nachhaltig, mit eigenen Händen großgezogen.
Mimi verabschiedet sich von uns in fünf Sprachen. Als junge Frau hat sie in Paris studiert und gearbeitet. Irgendwann zog es sie wieder zurück nach Montenegro, an die frische Luft unter den violetten Abendhimmel.
Ich möchte auch so leben wie Mimi, schreit mein Gewissen. Dann geht es mir auch nicht mehr so schlecht. Aber es ist sehr viel Arbeit, entgegne ich. Mehr, als du es dir jemals vorstellen könntest.

In Herzig Novi gibt es viele wunderschöne Klöster und tolle Katzen
Jeden dritten Tag holen wir bei Mimi Ziegenkäse und ein klein bisschen Milch für meine kleine Tochter. Das Essen in Montenegro ist köstlich und das Kochen mit frischen Produkten macht Spaß.
Unser Gasthaus auf Airbnb hat sich als eine wahre Perle erwiesen. Die Eigentümerin ist freundlich und erlaubt uns Lavendel und frische marokkanische Minze aus ihrem Garten zu zupfen.

Kotor Altstadt
Nun gehört es zu Tante Siljas neuem Urlaubsritual mehrmals am Tag auf ihrem kleinen Balkon zu sitzen und frischen Minztee zu trinken. Und wenn Tante Silja zufrieden ist, sind es alle um sie herum auch.
Nachhaltig Reisen mit Kleinkind ist anstrengend. Es bedarf viel Planung. Und klappt nicht auf anhieb. Doch irgendwann werden die Handgriffe zur Routine und man nimmt automatisch zwei Jutebeutel mit, wenn man zum Markt einkaufen geht. Irgendwann ist es keine Frage mehr, dass man seine Trinkflasche im Rucksack parat hat, wenn man einen Ausflug macht.

Bei Mimi
Nur noch eine Sache möchte ich wechseln. Es ist unsere Bank. Neulich habe ich gelesen, dass es grüne Banken gibt, die ihr Geld in Aufforstung und grüne Energien, anstatt Kohle und Palmöl investieren. Das mache ich dann wenn wir zurück sind.
Man kann immer mehr an sich arbeiten und immer mehr tun, damit aus dem nächsten Brief an mein Kind nicht schon wieder nur schlechtes Gewissen spricht.
Text/Foto Anna Livsic
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